Die traditionelle chinesische Medizin (TCM) fordert nicht nur
eine ausgewogene und vielfältige, sondern auch eine der Konstitution des
Patienten, seiner eventuellen Erkrankung und den Witterungsverhältnissen
angepasste Ernährung.
(Jemand, der in südlichen Ländern lebt, braucht eine andere Ernährung
als jemand, der ständig der Kälte Norwegens ausgesetzt ist.)
Nahrungsmittel werden ähnlich wie die Arzneien nach ihren
energetischen Wirkungen, ihrer Farbe, ihrem Geruch und
Geschmack sowie ihrem Temperaturverhalten eingeteilt und
bestimmten Funktionskreisen zugeordnet. Lebensmittel sowie Heilkräuter
werden nach ihrer Wirkung auf den menschlichen Körper beurteilt.
So richtet sich auch die Ernährung nach den jeweiligen Bedürfnissen.
Daraus folgt, dass es nicht zulässig ist, eine einseitige
Ernährungsform oder ein bestimmtes Nahrungsmittel als generell und in
jedem Fall für „gesund“ zu erklären.
Thermisch sehr kalte Lebensmittel wie Südfrüchte, Tomaten, Gurken, oder
Joghurt können unseren Organismus zu sehr abkühlen.
"Heiße" Lebensmittel wie Lammfleisch, Chili, Pfeffer, Schnaps im Übermaß
erhitzen wiederum zu sehr.
Durch den Verzehr von überwiegend kalten Mahlzeiten oder
energiearmen Mahlzeiten (Käsebrote, Rohkost, industriell hergestellte
Süßgetränke, Brot, Mikrowellenkost, Fertigprodukte....) haben viele
Menschen eine erworbene Verdauungsschwäche. In jungen Jahren
merkt man es nicht, weil man sein "Feuer" noch in vollem Ausmaß besitzt.
Wird der Mensch älter (etwa nach dem 35. Lebensjahr) muss er seine
Kraft (Energie=Qi) und Substanz erhalten lernen.
Um den Satz „zu viel Rohkost schwächt
die Milz“ zu verstehen, ist es notwendig, zu verstehen,
was mit dem Funktionskreis „Milz“ in der chinesischen
Medizin eigentlich gemeint ist.
In der chinesischen Medizin ist die Milz DAS zentrale Organ der
Qi-Bildung. Sie transformiert aus aufgenommener Nahrung und
Flüssigkeiten das Nahrungs-Qi, das als Grundlage für die Bildung
von Qi und Blut gilt. Dies kann sie umso besser, je leichter die
Nahrung aufschließbar, also je besser verdaulich sie ist.
Ist die Milz über einen langen Zeitraum zu stark durch schwer
verdauliche Nahrung beansprucht, kann sie den
Transformationsprozess nur noch unvollständig durchführen,
Feuchtigkeit und in weiterer Folge Schleim entstehen im Körper, die
Energiekanäle werden schwerer durchgängig. Dies ist die Grundlage für
viele Erkrankungen.
Eine Schwäche der Milz erkennt man unter anderem an weichen oder
ungeformten Stühlen (man muss immer den Klobesen nehmen, weil der Stuhl
kleben bleibt), oder wenn sogar ganze Nahrungsreste im Stuhl erkennbar
sind, Blähungen, Blässe (wg. des Blutmangels), leichtes Schwitzen
tagsüber (Qi-Mangel!), Infektanfälligkeit, Appetitlosigkeit,
Schweregefühl, Muskelschwäche, schwaches Bindegewebe, u.v.a.
Eine reine Rohkosternährung gilt in der chinesischen Medizin als
Krankheitsursache für viele Beschwerden, da diese Menge an
unaufgeschlossener Nahrung zwar in der Rohform viele Vitamine
enthält, die aber vom Körper nur unvollständig resorbiert werden
können, unnötig das Verdauungssystem belasten und damit
die Milz vorzeitig schwächen können.
Besser ist eine ausgewogene Ernährung auf der Basis von gekochtem
Getreide mit verschiedenen, zur Jahreszeit passenden Gemüsesorten
(gegart) und vielen Kräutern und aromatischen Gewürzen, kleine
Mengen Salate, wenig Fleisch, sehr wenig Milchprodukte (verschleimen sehr
stark).
Wer unter Kältesymptomen leidet, sollte gar keine Rohkost
und kalten Gemüse- und Obstsorten (Südfrüchte!) essen.
Menschen mit Hitzesymptomatik bzw. in der heißen Jahreszeit tut
eine gewisse Menge Rohkost unter Umständen eine Zeit lang ganz
gut. Ist die Hitzesymptomatik abgeklungen, sollte wieder zu einer
ausgewogeneren gekochten Ernährung gegriffen werden, um das
Verdauungssystem nicht zu sehr zu belasten. Besonders wichtig ist es,
auf denaturierte Nahrung in jeder Form sowie auf „zu viel,
zu fett, zu süß“ zu verzichten.
Noch ein Wort zur reinen Rohkosternährung:
Ich habe in meiner TCM-Diätetik Ausbildung mehrere Menschen
kennengelernt , die nach jahrelanger Rohkosternährung wieder zur
gekochten Kost zurückkehren mussten, weil starke Verdauungsbeschwerden
auftraten. Eine Dame bekam nach 20 Jahren (!) reiner Rohkosternährung
massive Durchfälle, die erst nach einer Ernährungsumstellung nach den
Richtlinien der chin. Medizin in den Griff zu bekommen waren.
Ich selbst war 5 Jahre lang Rohkostvegetarierin und habe daher ebenfalls
ausreichende Erfahrung mit dieser Ernährungsform.
Sich ausschließlich mit Rohkost zu ernähren mag bei sehr robuster (Hitze)Konstitution auch über eine längere Zeit
verträglich sein. (Genauso wie es den sprichwörtlichen Onkel gibt, der
trotz 40 Zigaretten täglich muntere 90 Jahre alt geworden ist)
Nach der Erfahrung der traditionellen chinesischen Medizin ist sie für den durchschnittlichen Konsumenten
jedoch auf die Dauer nicht zuträglich.
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