Leonce und Lena (Georg Büchner) 2006

"(...)Leo Krischke erzählt in seiner Version vor allem von der Flucht der Königskinder, die nicht akzeptieren wollen, daß andere aus gesellschaftlichem Zwang über ihr Leben entscheiden. Krischke findet gemeinsam mit Anna Pollack (Bühne und Kostüme) schaurig-schöne Bilder für Daseinsleere und Verlorenheit der jungen Generation. Seine Inszenierung hat Temperament und Dynamik, das Ensemble - absolut präsent. Zwei Stunden voll Intensität! Theater, das fesselt und in einigen Momenten sogar archaische Wucht zeigt." Kronenzeitung 12. 02. 2006

"(...)Die Spielfläche im „Spielraum“ beschränkt sich nämlich auf einen schmalen Streifen, der den Raum in seiner ganzen Länge durchquert und zu vielfältigen Deutungen Anlass bietet: Ist es ein Laufsteg, auf dem die Figuren ihre dürftigen Schicksalskollektionen zu Schau stellen (und König Peter vom Reiche Popo versucht, mit modischer Raffinesse seine geistige Dürftigkeit zu kaschieren); ist es eine Start- und Landebahn, die auf Grund ihrer Schmalheit zu Abstürzen herausfordert; oder haben wir es mit einem Förderband zu tun, das all jene „Menschen“ genannten Automaten an uns vorübertransportiert? Wie dem auch sei – und ein bisschen steckt sicher von allem darin –, das Konzept überzeugt auf den ersten Blick und die zweifellos eingeschränkte Bewegungsfreiheit der Protagonisten wird durch ein viel konzentrierteres Spiel wieder wett gemacht. Regisseur Krischke versteht es überhaupt, die vielfältigen Talente seiner Darsteller geschickt einzusetzen: so darf Tristan Jorde als schwachköpfiges Landesoberhaupt einer Geige ganz passable Töne entlocken, der Höfling Abraham Thill verwendet seine Ausbildung zum professionellen Diabolo-Jongleur zu einem beeidruckenden Zwischenspiel im Dunklen, und die beiden Hauptdarsteller Michael Born (Leonce) / Andreas Semprich (Valerio) veranstalten mit turnerischem Draufgängertum ein Muskelbiegen, das jeden Augenblick im Knochenbrechen enden könnte, um den Kapriolen, die der Text unaufhörlich schlägt, auch körperlich gerecht zu werden. Aber auch schauspielerisch lassen die acht Ensemblemitglieder nichts zu wünschen übrig: als titelgebendes Paar durchleben Born und Leila Müller eine tragikomische Romanze und kosten die poetischen Momente voll aus; Semprich kommt als rebellischer Kraft-Mensch aus dem Untergrund für ein ebenso kraftvolles Spiel an die Oberfläche, und Tristan Jorde gewinnt dem alten Stereotyp eines degenerierten Machthabers neue Seiten ab. Und obwohl die Höflinge als in Zwangsjacken steckende Kugelköpfe mit meterlangen Ziegenbärten auftreten, hat diese Inszenierung weder einen Bart noch etwas Gezwungenes an sich, sondern kommt mit ungestümer Vehemenz daher, wie es sich für das Werk eines jungverstorbenen Dichters gehört."
events.at 08.02.2006

O süßes Gift, das mich zum Lachen bringt!

"(...)Die von Büchner so raffinierten Augenblicksbilder des „grausamen Märchens von Liebe, Tod und Anarchie“ führt uns Regisseur Leo Krischke auf einem schmalen Laufsteg als „Spielraum“ (Bühne und Kostüme: Anna Pollack) vor, der einerseits als Gedankenpfad kein Ende und keinen Anfang nimmt, andererseits aber die eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit der Protagonisten zeigt. Der wohl tragikomischste Anti-Held der Weltliteratur Leonce (Michael Bron) vollführt mit Valerio (Andreas Semprich) nicht nur akrobatische Gedankenspiele. Krischke setzt mit halsbrecherischen Turnübungen die Stärken der Mimen gekonnt ein. Schauspielerisch hervorzuheben ist Leila Müller: Neben dem ausdrucksstarken „Tanz der müden Füße“ von Rosetta verleiht sie der Prinzessin Lena die nötige Balance zwischen schwermütiger Todessehnsucht und Märchenhaft-Komödiantischem. Dem König (Tristan Jorde), der wie ein müdes Uhrenwerk immer wieder stehen bleibt, hat vergessen, dass er denken solle, so bleiben ihm einzig die schaurig-traurigen Klänge seiner Violine. Jorde passt nichts: Nicht die Rolle des schwachköpfigen Oberhaupts Peter, und als dieses nicht die Krone, der Prinz nicht und das ganze Königreich, das er in Zwangsjacken steckt, um bei seinem Polit-Müßiggang nicht überholt zu werden.
Dem kraftvollen, ideenreichen Regiekonzept versuchen die acht Ensemblemitglieder durch konzentriertes (Körper-)Spiel gerecht zu werden, was nicht immer zwei Stunden gelingt."
www.theaterforschung.de 08.03.2006