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Letterkenny, Grianan of Aileagh, Letterkenny
13. Juni 1999
Frühstück ist ein ebenso erhebendes Ereignis wie gestern. Anläßlich des
Tages des Herrn gibt es zusätzlich und unverlangt eine halbe angebrannte
Tomate. Das stärkt mich für das Kommende, denn - es schüttet. Es schüttet
sogar gewaltig. Hoffnungsfroh fahre ich dennoch los - zum Grianan of Aileagh,
Irlands größtem Ringfort. Auf dem Gipfel eines Hügels gelegen, hat man von
dort, so einem der Sinn danach steht und das Wetter mitspielt, eine schöne,
weite Sicht bis weit nach Ulster hinein - und das schon seit über 2.500
Jahren, wahrscheinlich aber seit länger. Das heutige Ringfort existiert
jedenfalls seit 2.500 Jahren, war bereits dem griechischen Kartographen
Ptolemäus bekannt, glaubt man, und wurde im 12. Jahrhundert bei einer
Stammesfehde zerstört. Was man heute besucht, ist allerdings 1870
restauriert worden. Wie der Grianan vor der Restaurierung aussah, sagen die
Reiseführer nicht, wohl aber sagt es die Orientierungstafel an Ort und
Stelle. Die dunklen Steine sind die Originale, die helleren sind bei der
Restaurierung aus dem Schutt neu aufgebaut worden. Seh nur ich bloß helle
Steine? Eindrucksvoll ist der Grianan zweifellos, sicher auch die Aussicht,
bloß habe ich keine, denn eine dunkle Regenwolke hat sich auf demselben
niedergelassen und aus ihr schüttet es auf mich armen Menschen herab wie aus
den sprichwörtlichen Waschzubern (auf wienerisch: Schaffeln). Da ich schon
einmal da bin, harre ich aus, vielleicht zieht die Wolke weiter. Beharrlich
ist leider auch die Wolke: als ich die Sunday Times von vorne bis hinten
durchgelesen habe, schüttet es noch immer und ich fahre in mein Hotel
zurück.
Dort lese ich dann Cities Of The Plain von Cormac McCarthy und vergesse die
Welt um mich.
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