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Hessen
bis Langueux/Bretagne
3. Juni 1999
Danach muß ich dennoch eingeschlafen sein, denn gegen 5 Uhr morgens werde
ich munter, packe meine Siebensachen, bestelle, einen Kaffe, den ich
freilich prompt erhalte. Auch zahlen kann ich alsogleich, kein Wunder
freilich, im Lokal ist außer mir und der Kellnerin kein Mensch.
Um 5 Uhr morgens fahre ich los. Das Wetter ist nicht übel, aber so heiß wie
gestern ist es nicht. Wenig Verkehr auf der Autobahn Richtung Saarbrücken,
vorwiegend amerikanische Soldaten, die in ihre Kasernen entlang der Autobahn
fahren. Das Land rechts und links muß fest in der Hand der Amerikaner sein.
Gegen Kaiserslautern werden die deutschen Kennzeichen häufiger.
Schichtwechsel bei
Opel? Immerhin, ich bessere wieder einmal meine Geografiekenntnisse auf. Nie
habe ich gewußt, wo der Prinz von Homburg her ist. Jetzt weiß ich, wo
Homburg liegt. Ich weiß natürlich auch schon, wo der Nürburgring liegt und
wo der Fußballklub aus Kaiserslautern her sein muß, wenn der Name nicht
trügt. Reisen bildet eben.
An der Goldenen Bremm, der letzten Tankstelle vor der Grenze zu Frankreich,
tanke ich, zum Rasthaus kann ich nicht, der Parkplatz samt Zufahrt ist mit
LKWs verstellt. Macht nichts, ich werde schon noch aushalten.
Die Grenze passiere ich ereignislos, wenn auch vorschriftsmäßig in
ermäßigtem Tempo. Keiner kümmert sich um mich. Schengen macht sich angenehm
bemerkbar. Noch vor Jahren war das anders. Ich erinnere mich noch an einen
solchen Grenzübertritt: Die Zöllnerin war schwarzhaarig mit braunem Teint
und wirkte ungewaschen wie die Soldaten vom Vortag, trotz der schicken
Uniform, die sie trug. Mein Paß interessierte sie; einmal kein Boche. Also
begann sie, mich auf französisch auszufragen, was zum Fiasko führte, denn
ich kann nicht französisch. Deshalb wechselte sie in schlechtes Deutsch und
wollte unbedingt wissen, wohin ich unterwegs sei. Cherbourg et Irlande,
sagte ich damals in meinem besten Französisch, worauf sie mir etwas
erzählte, was ich naturgemäß nicht verstand. Indigniert winkte sie mit der
Hand: das verstand ich. Ich solle weiterfahren, wenn man mit mir schon nicht
reden konnte. Ich tat es.
Auf der Autobahn in Frankreich nicht viel Verkehr: die Maut macht sich
bemerkbar. Vor Metz mache ich auf einem Parkplatz mit Picknickmöglichkeit
Platz. Die Picknicktische stehen inmitten eines kleinen Wäldchens, ich bin
ganz allein. Für mich ist das neu: die Parkplätze an unseren
österreichischen Autobahnen sind spartanisch und total verdreckt. Nur nichts
angreifen und nur ja keine Bedürfnisse haben. Ich koche mir Kaffee; so gut
wie der Kaffe in deutschen Landen ist er noch lange. Danach fahre ich in
gemäßigtem Tempo weiter, etwa 120 km/h; dennoch überholen mich nicht viele
Autos, und das sind dann solche mit deutschen Kennzeichen. Bei einem
weiteren Rastplatz mache ich nochmals Halt und stelle fest, da habe ich
schon 1984 gerastet und mich und das damalige Auto mittels Selbstauslöser
fotografiert. Dieser Versuchung kann ich nicht widerstehen und hole die
Kamera hervor.
Das
Auto ist ein anderes, die Bäume sind inzwischen gewachsen, ich habe einige
Jahresringe angesetzt. Wo das ist? Dort, wo in Frankreich Öl oder Erdgas
gewonnen wird, denn die Pumpen sehe ich im Hintergrund. Den klangvollen
Namen des Parkplatzes (Aire du ....) habe ich mir nicht gemerkt.
Um 11 Uhr bin ich zwanzig Kilometer vor Paris und gerate auf der
dreispurigen Autobahn in einen Stau. Ich bleibe in der mittleren Spur,
wechsle gelegentlich in die rechte oder die linke, aber dort komme ich auch
nicht schneller vorwärts. So kann ich im 1. Gang oder überhaupt im
Stillstand meine Nachbarn betrachten, sie betrachten mich und halten
Abstand. Nur die Motorradfahrer tun es - leider - nicht. Sie schlängeln sich
in hohem Tempo zwischen den Kolonnen durch und gestikulieren böse, wenn du
nicht genügend Raum zum Nachbarn gelassen hast.
Mit der Zeit kommt man auch im 1. Gang auf die Route peripherique, ich
überquere mehrfach die Seine und dann sehe ich endlich ein Verkehrschild mit
den befreienden Ortsnamen Rennes und Le Mans. Um 12 Uhr habe ich das
Schlimmste überstanden, raste noch mehrfach, komme aber dennoch zügig
weiter. Vor Rennes hört die gebührenpflichtige Autobahn auf, insgesamt habe
ich seit Saarbrücken fast 300 FF bezahlt. Viel Geld, fährt man öfters, aber
immerhin sind die Autobahnen bestens ausgebaut und keine Rumpelpisten wie in
Österreich, auf denen schon das Bewehrungsgitter aus dem Betonbelag
hervorschaut. Bezahlen dürfen aber auch wir in Österreich für die
Autobahnbenützung, bloß, der Straßenzustand bessert sich nicht merklich.
Gegen 16 Uhr fange ich an, mir Gedanken über ein Quartier zu machen. An Hand
der sehr praktischen TourSet-Karte des ADAC habe ich mir St. Breuil in der
Bretagne als Etappenziel ausgedacht. In Langueux sehe ich die Reklametafeln
mehrerer Billighotels, biege ab und halte beim erstbesten Hotel an. Ich kann
die Hoteltür nicht öffnen. Nach mir erscheint eine Französin, wir rütteln
abwechselnd an der geschlossenen Tür, nichts tut sich, wir reden gegenseitig
Unverständliches. Ich gebe als erster auf und fahre zum nächsten Hotel. Dort
dasselbe Spiel. Dann sehe ich den Terminal mit Tastatur und Eingabeschlitz
neben der Tür. Ich kann mit der Tastatur die Sprache wählen und erhalte
danach in Deutsch Anweisungen vom Bildschirm: Kreditkarte einschieben,
Personenzahl tippen, Nächtigungszahl tippen, Frühstück ja/nein tippen, Danke
lesen. Der Apparat gibt meine Kreditkarte wieder her, ein Papierstreifen
wird ausgedruckt. Auf dem steht die Zimmernummer und eine Codezahl. Mit
deren Hilfe kann ich das Zahlenschloss neben der Zimmertür bedienen. Ich
hole mein Gepäck und betrachte nochmals mein Hotel. Ein Betonkasten mit
Außengängen und Treppen wie die Feuerleitern der Häuser in amerikanischen
Filmen. Na ja. Das Zimmer ist klein, mit Doppelbett und darüber quer ein
Einzelbett, Plastikverbau mit Dusche und WC in der Ecke, eine Art
Badezimmerhocker zum Sitzen und ein Guckloch vulgo Fenster auf die Galerie
hinaus. Ein Vorhang ist vorhanden. Das Ganze kostet pro Nacht 159 FF pro
Zimmer. Für 3 Leute wahrlich eine billige Unterkunft. Frühstück extra 24 FF,
das aber muß eine schöne Verdienstquelle fürs Hotel sein.
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