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Portsalon,
Killydonnell Friary, Rosses Point
15. Juni 1999
Frühstück ist spät, dafür
kärglich, das einsame Spiegelei schwimmt noch im Fischfett von gestern abend.
Aus dem Fenster blicke ich auf die Ballymastoker Bay, einem der wohl
schönsten Strände Irlands. Die nächtliche Flut geht zurück, aber der Bach,
der unweit des Golfplatzes ins Meer mündet, ist durch rückgestautes Wasser
zu einem See geworden und unüberschreitbar. Daher kein Strandspaziergang.
Danach mache ich mich auf die Rückfahrt. In Ramelton mache ich noch einige
Fotos von einem rot angestrichenen Pub und danach biege ich vor Letterkenny
nach links ab zur Killydonnell Friary. Die nächsten 5 Kilometer fahre ich
hinter einem Traktor mit Tempo 20 km/h dahin, dann endlich die Abzweigung.
Ich fahre direkt zur Umkehrstelle vor der Friary. Bei den Ruinen mit noch
immer benütztem Friedhof endet der Fahrweg. Viel ist im übrigen nicht mehr
erhalten und das, was da ist, ist nichts Besonderes. Ein Kirchenschiff mit
Seitenkapelle, von Efeu überwuchert. Nebenan ein erhaltenes Gewölbe, die
Gruft einer Familie Stewart. Zugang von der Kuhweide, nicht von der Ruine.
In der finden sich nur Reste von Stufen, die ehemals zum ersten Stock des
Wohntraktes führten. In einer Nische steht ein Holzkästchen mit gebrochenem
Deckel. Stewart, 1978, ist eingeprägt. Natürlich öffne ich neugierig den
Deckel: unter eingefettetem Papier die Asche des Herrn Stewart, durch die
Feuchtigkeit zu einem Klumpen zusammengebacken. Die lieben Verwandten haben
sich offenbar nicht die Mühe gemacht, die Asche ihres Familienmitgliedes in
der Familiengruft unterzubringen. Ihren Verwandten vom Wind verblasen
lassen, wollten sie aber anscheinend auch wieder nicht. Also stellten sie
seine Überreste halt irgendwohin und gingen weg. Mit der Verwandtschaft hat
man´s nicht immer leicht!
Die Killydonnell Friary ist wahrhaft nichts Besonderes, aber mir scheint sie
nur typisch für die Weltabgewandtheit solcher Klöster. Obgleich, wie die
Orientierungstafel vom OPW berichtet, auch dieses Kloster eine bunte
Geschichte hatte. Übrigens, die Steine, die auf dem Friedhof liegen, liegen
nicht einfach so herum, sie bezeichnen alte Grabstätten, als die Leute sich
eigene Grabsteine vom Steinmetz nicht leisten konnten. Man geht daher
sozusagen auf den Toten umher, tut ihnen aber offenkundig nicht mehr weh
dadurch.
Bei einer Viehtränke daneben wasche ich mir mit Seife gründlich die Hände -
von wegen Herrn Stewart im Holzkisterl drinnen.
Auf der Weiterfahrt macht es "Knacks", als mich einer überholt. Vor Donegal
entdecke ich die Ursache: kleiner Sprung in der Windschutzscheibe. Schöne
Aussichten, falls der Sprung größer werden sollte.
Bei Grange halte ich an. Links ausgeschildert liegt Creevykeel, eines der
schönsten Ganggräber Irlands. Ungefähr 4.500 Jahre alt, haben die
Herrschaften der Jungsteinzeit wenigstens einmal so viel Verstand gehabt,
ihre Sehenswürdigkeit dorthin zu bauen, wo heute eine Hauptstraße
vorbeiführt. An sich schaut auch Creevykeel so aus, als habe wer mittels
Caterpillar einen Haufen Steine zusammengeschaufelt, geht man aber den Gang
entlang in die Grabkammer, sieht man den Zweck und den Aufbau der Anlage.
Man merkt auch den gewaltigen Aufwand, den riesigen Haufen Steine händisch
herbeizutragen und zu schlichten, von den großen Steinen der zentralen
Kammer gar nicht zu reden. Im Zuge der Restaurierung hat man die Erdschicht,
die sich in der Zwischenzeit angesammelt hatte, entfernt. Dabei hat man
entdeckt, dass die Anlage, was auch üblich ist, viel später noch
weiterbenutzt wurde. In Creevykeel hat man um Christi Geburt noch Eisen
geschmolzen, auch Leichen bestattet (bzw. ihre Asche). Zwar werden die
Menschen damals ebensowenig wie wir Heutigen gewußt haben, auf Grund welcher
Vorstellungen diese Anlage gebaut worden ist, aber ihre Umrisse waren in der
Landschaft offenbar erkennbar und galten als etwas Besonderes. Daher die
Begräbnisse.
Ich könnte auch zum Strand von Streedagh fahren. Dort sind 3 Schiffe der
Armada gestrandet. Ihre Besatzungen sind ertrunken oder, falls sie es bis
ans Land schafften, umgebracht worden. Davon sieht man aber nichts mehr,
natürlich. Man kann jedoch an einen Aussichtspunkt fahren, auf den Strand
hinunter blicken und sich vorstellen, wie es gewesen ist. Nicht lustig.
Auf Lissadell muß ich leider verzichten, es schüttet gewaltig. Der geplante
Strandspaziergang am langen Sandstrand fällt sozusagen ins Wasser. Aber über
den Dichter Yeats, der oft zu Gast war, und über die dort wohnenden Gazelle
(die Countess
Markiewicz) gibt´s im Internet genug zu lesen. Zitiert wird gerne eine
schmeichelhafte Stelle aus dem Gedicht von Yeats über die Komtesse und ihre
Schwester, das Gedicht als Ganzes ist nicht so sehr schmeichelhaft. Wer von
mir lesen will, wie sich ein Besuch in Lissadell abspielt (oder wie ich mich
daran erinnere), kann es tun.
In strömendem Regen fahre ich nach Rosses Point weiter, stelle das Auto auf
die Strandpromenade und muß eine Weile warten, ehe der Regen nachlässt und
ich die vertrauten Umrisse von Coney Island und der Muschelinsel, des Metal
Man und des Knocknarea dahinter erkennen kann. Gegen Abend reißen dann die
Wolken auf und ich wandere den Strand entlang bis zu den nordseitigen
Klippen, dem eigentlichen Rosses Point. Von dort sehe ich hinüber nach
Lissadell, halb verdeckt von Bäumen, sehe den weiten Strand, den ich nicht
entlang gewandert bin. Es hat nicht sollen sein.
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