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Westport, Killadoon, Doo Lough, Omey
Island, Leenane
7. Juni 1999
Die Sonne scheint ins
Zimmer. Beim Frühstück bin ich der einzige Gast und bleibe es auch. Entweder
schlafen alle sehr lange, oder es gibt hier außer mir nicht viele Gäste.
Fragen wäre einfach, aber unfein. In Westport scheint noch immer die Sonne,
die Ladenfronten leuchten in allen Farben des Regenbogens.

Im Supervalu kaufe ich mir Essen und Getränke, erhalte meine Einkäufe wie
immer in Irland ganz selbstverständlich und gratis eingepackt. In Österreich
herrschen andere Bräuche, nämlich weder der eine noch der andere.
Richtung Louisburg fahre ich danach. In Murrisk parke ich auf dem Parkplatz
am Fuße des Croagh Patrick. Von hier aus könnte ich, wie es am Namenstag
Patricks seit Jahrhunderten viele Tausende Iren tun, den Berg besteigen und
in frommer Andacht eine Weile auf dem Gipfel verharren. Ich bleibe unten,
ja, ich gehe nicht einmal zur weißen Figur Patricks oberhalb des
Parkplatzes. Dort beginnt offiziell der Aufstieg. Andere machen das schon;
die Statue ist umlagert von Leuten, die sich mit der Statue im Hintegrund
fotografieren lassen wollen. Klar, ist ja auch bedeutend weniger anstrengend
als die Kletterei den steilen Berg hinauf. Die Abteiruine auf der anderen
Straßenseite erweist sich als Einfahrer, weder interessant noch fotogen.
Auf Nebenstraßen geht's danach nach Killadoon. Meine Karte behauptet die
Existenz von Standing Stones und eines Cairns, eines frühzeitlichen
Steinhaufens, unter dem sich fast immer ein Grab verbirgt. Ich finde
indessen weder die stehenden Steine noch den Cairn. Das Problem für mich
Laien liegt darin, daß ein stehender Stein einfach ein vielleicht meterhoher
Felsbrocken ist, den die Frühzeitler aufgerichtet haben. Steine indessen
gibt es zum Saufüttern, wie wir Österreicher sagen, und ein Cairn, soweit
die inzwischen angewehte Erdschicht nicht abgegraben ist, schaut aus wie ein
kleiner Hügel, vielleicht einen Meter hoch im Durchschnitt.
Nach 3 Kilometern zweigt südlich von Killadoon eine Seitenstraße ab und von
der wiederum nach 1 Kilometer eine Stichstraße zu einem Bauernhof mit B&B.
Ich halte dort nicht, sondern fahre weiter und gelange zu einem schönen
Sandstrand und suche den alten Friedhof, den die Karte verzeichnet. Ich
finde eine eingezäunte Wiese, auf der einige verwitterte Steine liegen. Im
Sand, am Strand davor, finde ich einige weiße Knochenstücke. Ob von Schaf
oder Mensch, weiß ich nicht. Das war die Spurensuche am Strand von Killadoon.Eindrucksvoll.
Danach fahre ich Richtung Leenane. Am Doo Lough vorbei und an den Aasleagh
Falls komme ich zurück. Das Wetter ist herrlich, ich will noch nicht in mein
Quartier, fahre an der Kylemore Abbey vorbei und biege vor Clifden nach
rechts ab. Omey Island ist mein Ziel. Eine Insel ist das jedoch nur einen
halben Tag lang, bei Ebbe kann man bequem entlang der Wegweiser auf dem dann
trockenen Meeresboden zur Insel hinüber fahren.
Die
ist heute unbewohnt, das war nicht immer so. Vor der großen Hungersnot
lebten in Connemara mehr als 10x soviel Menschen als heute und da war auch
Omey Island noch bewohnt. Wo die Leute hingekommen sind? Die einen
überlebten, die anderen wurden verscharrt. Von ihren bescheidenen
Unterkünften aus Torfziegeln oder Trockenmauern ist nichts erhalten. Die
vielen Hausruinen, die man heute sieht, sind Zeichen dafür, daß die
Auswanderung auch noch nach der Hungersnot weitergegangen ist, obgleich es
den Leuten damals bereits - relativ - besser gegangen ist als 1850. Im
Wesentlichen hat die Auswanderung, gerade der Jungen und der besser
Ausgebildeten, erst vor 10 oder 15 Jahren aufgehört.
Heute ist die Insel voller Blumen und Schafe, aber menschenleer. Nur die
Zeugnisse der einstigen Existenz von Menschen auf der Insel findet man noch,
vereinzelt, bei einer Rundwanderung um die ganze Insel, die bequem in 2
Stunden möglich ist. An Hand der Karte finde ich den kleinen Hügel, der den
Frauenfriedhof birgt, aus der Zeit vor der Jahrtausendwende, als Männer und
Frauen an getrennten Stellen begraben wurden. Am kleinen See finde ich die
Ruine von Tempeall Fechin, der Kirche, die ein gewisser Fechin vor 1300
Jahren gebaut hat (bauen hat lassen, eher). Ich finde auch den einzigen
Brunnen auf der Insel, Totain Fechin, mit leicht salzigem Wasser, dem im
Volksglauben Heilwirkung zugeschrieben wird - von allen möglichen Übeln. Nur
die Überreste aus der Jungsteinzeit finde ich nicht, einen Midden, einen
Abfallhaufen aus der Vorzeit. Vielleicht habe ich ihn auch gefunden und bloß
nicht als solchen erkannt, denn ich weiß ja nicht, wie so etwas ausschaut.
Nicht versäume ich jedoch, an Hand der Karte jene Stelle am Ufer gegenüber
Claddaghduff aufzusuchen, die als "Ola Breanna" bezeichnet wird. Vor der
vollständigen Unterwerfung Irlands unter die britische Krone herrschte über
Omey Island und Umgebung ein König aus dem Geschlecht der O´Tooles, der
eines Tages mit der Aufforderung des Königs von Connacht konfrontiert wurde,
ihm Abgaben zu entrichten. Die Boten des Königs von Connacht schickte er
unverrichteter Dinge und jedenfalls auch ohne Abgaben wieder zurück, gab
ihnen aber etliche passende Schimpfwörter zum Ausrichten mit und bereitete
gleichzeitig seine Leute auf den zu erwartenden Angriff seines Kontrahenten
vor, der auch prompt erfolgte. An eigentlichen Waffen war nicht viel
vorhanden, nämlich eine einzige Muskete. Was es indessen gab, waren
Kieselsteine sonder Zahl in passender Größe. Als nun das gegnerische Heer
unter Führung des Königs von Connacht in Unkenntnis der Verhältnisse über
den trockenen Sand heranmarschierte und nahe genug an die Insel
herangekommen war, fiel ein einziger Schuß, und dieser tötete den König von
Connacht. Die Reiterei ergriff daraufhin sogleich die Flucht. Zurück blieben
die Fußtruppen, allein mitten auf dem weiten Sandstrand. Bei Beginn der Flut
steigt das Wasser jedoch sehr rasch und setzt sehr schnell den weiten
Sandstrand unter Wasser. Damit war der Infanterie der Rückweg abgeschnitten.
Ertrinken oder angreifen war die Wahl, die sie hatten und sie entschieden
sich für den Angriff. Man sagt, am nächsten Morgen lagen 600 Leichen auf dem
Strand von Omey Island. Der Gestank der 600 nackten, natürlich geplünderten
und ihrer Kleider beraubten Leichen gab der Stelle den irischen Namen. Der
Gestank ist längst verweht, die Leichen verwest, die Knochen im Sand
vergraben oder weggespült, aber mit etwas Fantasie wird die grausige
Vergangenheit doch wieder lebendig an solchen Stellen.
Danach
setze ich mich dann an den Strand und "tue Bein mit Beine", wie Walter von
der Vogelweide geschrieben hat - weiß ich noch von der Schule her.
Auf der
Rückfahrt bleibe ich bei der Kylemore Abbey nicht stehen. Ich kenne sie
schon, aber jeden Tag bleiben Tausende dort stehen und verschaffen den
Benediktinerinnen fette Einnahmen, die sie zweifellos zur Rettung
heidnischer Seelen dringend brauchen.Gegen 1/2 6 Uhr bin ich in Leenane zurück. Aus der
Portfinn Lodge bin ich am
Morgen ausgezogen. 2 Gästehäuser - mit leeren Parkplätzen davor - in
Richtung Maam wollen mich nicht als Gast, beim Friedhof will ich nicht
wohnen, die
Killary Lodge ist mir fürs Gebotene zu teuer.
Der
Abend ist schön, ich fahre bis Rosses Point bei Sligo weiter. Um 20,30 Uhr
komme ich an, im Yeats Country
Hotel bekomme ich für teures Geld ein schönes Zimmer mit Meer- und
Strandsicht. Ich gehe zum Strand, blicke vom Dead Men´s Point auf Coney
Island im Westen, und auf den Knocknarea, den beherrschenden Berg im Süden
jenseits des Meeresarms, der bis Sligo ins Land reicht, von der Muschelinsel
mit ihren weißen Häusern geteilt. Nichts hat sich geändert, seit ich vor
einem Jahr das letzte Mal dagewesen bin.
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