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Limerick,
Bunratty
18.6.1999
Am
Morgen fahre ich langsam (der Sprung in der Windschutzscheibe ist größer
geworden) zunächst zum Black Head, von wo aus ich trotz bedecktem Himmel
eine ganz prachtvolle Aussicht habe. Interessanter noch sind für mich die
Überreste eines eindrucksvollen Ringforts mit dem schönen Namen Cathair
Dhuin Irghuis, für das ich keinen englischen Namen weiß.
Wie
alt es ist, weiß kein Mensch so recht, aber zwischen 400 - 1200 unserer Zeit
wird geschätzt, also recht genau, oder? Die Schwierigkeit besteht darin, daß
solche Ringforts nachweislich während vieler Jahrhunderte im Gebrauch waren
und Zeugnis davon ablegen, daß die Bauernfamilien Anlaß hatten, sich und ihr
Eigentum zu schützen. Allein im Burren finden sich an die 400 Ringforts, von
denen ich leider nur dieses gefunden habe. Natürlich sind alle Forts sich
letztlich ähnlich, ich weiß, aber man will ja schließlich eines finden, wo
nicht ein jeder andere auch hinfindet. Ich zumindest möchte das. Leider
kommt dazu, daß die Bauern nicht unbedingt gerne irgendwelche Stadtmenschen,
aus dem Ausland vielleicht auch noch, über ihre Wiesen trampeln sehen und
manche Wegweiser daher die Eigenschaft haben, auf merkwürdige Weise zu
verschwinden oder aber woanders hin zu weisen als sie eigentlich sollten,
was die Fremden einigermaßen durcheinanderbringt. Daher will ich an Hand
dieses einen Beispiels beschreiben, wie man in Irland üblicherweise ein
frühzeitliches Monument findet: Einige hundert Meter südlich des Black Head
sehen Sie eine alte Steinmauer, die dem Westhang entlang verläuft. Folgen
Sie sodann dieser Mauer für vielleicht 40 Minuten - und Sie kommen hin.
Einfach, nicht?
Gehen Sie weitere 250 Meter der Mauer entlang, kommen Sie schließlich - mit
Glück - zum Carn Suí Finn. Das ist ein besonders sorgfältig gebauter Cairn
(Steinhaufen, respektlos!). Den allerdings habe ich nicht gefunden, obgleich
ich mich mangels Landkarte genau an die hymnische Beschreibung des Burren (The
Secret Places of The Burren von John M. Feehan, erhältlich bei
www.eason.ie oder an Ort und Stelle bei
Eason) gehalten habe. Vielleicht war die Beschreibung denn doch zu hymnisch
und zu wenig exakt.
Wollen Sie sich mit
Einfacherem zufrieden geben, auf dem Horn Head finden Sie einen anderen
Cairn mit dem ebenfalls schönem Namen Dobhach Brainín, ein Cairn, dessen
Namen, wie Feehan vermutet (der vermutet allerdings viel), sich von einem
Hund der irischen Sagenwelt ableitet. Na ja.
Danach geht es die selbe Strecke wie gestern wieder zurück. An der Höhle von
Aillwee komme ich vorbei, aber für Tropfsteine habe ich nichts übrig. Als
Kind mußte ich eine in der Steiermark bei Graz besichtigen, in der dann
prompt das Licht ausging und wir im Dunkeln zurückblieben und mit Hilfe
mitgebrachter Kerzen wieder ans Tageslicht gelangten. Dem Vernehmen nach
soll es seinerzeit Höhlenbären etc. gegeben haben, die den Rückweg aus
solchen Höhlen mangels Kerzen nicht mehr fanden und deren ausgebleichte
Knochen man heute noch finden kann. Ferner schaut ein Tropfstein im Prinzip
so aus wie jeder andere auch.
An der Kirche von Carran komme ich wieder vorbei und, als ich weiterfahre,
komme ich auch zum Leamenah Castle, einem unfreundlichen Bau, dem man den
ehemaligen Wehrturm ganz rechts noch deutlich ansieht.
Die
gute Máire Rhua lebte einst hier, der man den toten Ehemann, 1651 war´s, aus
der Schlacht zurückbrachte, den sie aber nicht haben wollte, denn was sollte
sie mit einer Leiche? Statt dessen wählte sie sich einen Offizier aus der
siegreichen Armee, den sie heiratete; auf diese Weise behielt sie das
Eigentum an der Burg. Der gute Mann starb unerwartet nach einiger Zeit, als
die gute Máire bei Rasieren des Gatten mit dem Rasiermesser ausrutschte.
Daraufhin heiratete sie einen weiteren Offizier aus Cromwells
Besatzungsarmee, der aber - leider - zwei Jahre später, als er mit der
holden Gattin auf dem Dach spazierenging, ausrutschte (sagte sie) und zu
Tode stürzte. Der nächste Gatte fiel von den Klippen ins Meer, als sich
unerklärlicherweise Máires Pferd, das er zufällig ritt, bei den Klippen
aufbäumte und seinen Reiter abwarf. Danach soll sie dann keinen Gatten mehr
(gesucht?) bekommen haben. Heute ist die Burg Privatbesitz, mit Stacheldraht
umgeben, mit entsprechenden Warnschildern, damit nur ja die bösen Touristen
nicht in der Ruine herumgehen können.
In Corofin könnte ich nach Dysert O´Dea abbiegen, ich tue es aber nicht,
sondern fahre nach Limerick zurück. Dort mache ich dann noch den bei mir
üblichen Spaziergang, komme allerdings auch nach Norden zum King John´s
Castle; mehr als das interessiert mich die Castle Lane Tavern, eine
Ansammlung scheinbar mittelalterlicher Gebäude, die erst vor 2 Jahren neben
die Burg hingebaut worden sind. Das Ganze soll den Eindruck einer Gasse im
mittelalterlichen Limerick vermitteln, ist in Wahrheit aber ein einziges
Wirtshaus, eine Gaststätte nicht gerade wie das Löwenbräu in München, aber
in der gleichen Geistesart. Hier gibt es jeden Abend mittelalterliche
Festmale samt passender Musikbegleitung, Gesang und Tanz, die
mittelalterlich geschürzten Kellnerinnen nicht zu vergessen. Wer es nicht so
aufwendig mag, mit viergängigem Menü nämlich und entsprechendem Preis,
bleibt im Erdgeschoß. Dort geht es genau so mittelalterlich her, nur wird
hier einfach Bier getrunken. Amerikaner, die nach Limerick kommen, sind ganz
begeistert. So viel Atmosphäre: jedenfalls mehr als in Zanesville, Ohio oder
sonst in einer Weltstadt des Mittleren Westens. Daß die Puristen heulend und
zähneknirschend in der Irish Times den Niedergang der irischen Kultur
beklagten, gehört natürlich dazu. Ebenso natürlich wie die Betonmauern, die
nur mit dünnen Granitsteinen verkleidet sind, ebenso wie das viele dunkle
Holz im Pub im Erdgeschoß, mit echten Holzwurmlöchern für den, der´s glaubt.
Natürlich kann man heulen, und mit gewissem Recht: das Ganze ist bloß
Theater. Aber als solches schaut es gar nicht übel aus. Geöffnet ist dieses
schöne Etablissement allerdings, abgestellt auf die Zielgruppe amerikanische
Touristen, erst ab 1/2 8 Uhr abends, nur das Pub (das sich hier Tavern
nennt) hat besucherfreundlichere Öffnungszeiten.
Inzwischen sind die Wolken aufgerissen, es ist erst früher Nachmittag, ich
fahre die Ennis Road entlang stadtauswärts, sehe das Hinweisschild Vacancies
beim
Woodfield House Hotel und bekomme tatsächlich ein Zimmer, für 45 Pfund
allerdings, fürs Gebotene ein stolzer Preis. Entlang der halben Ennis Road
gäbe es billigere Quartiere in B&Bs, vom Trelawne House bis zum Ballineen
House, und näher dem Stadtzentrum noch dazu. Was soll´s. Quartier somit
gesichert, fahre ich Richtung Bunratty Castle und Folk Park.
Bunratty ist eine der großen Attraktionen für Besucher Irlands. Einerseits
steht hier Bunratty Castle, eines der schönsten Beispiele für einen
mittelalterlichen Wohnturm, der außerdem Verteidigungszwecken diente. Solche
Wehrtürme, die zwischen 1250 und 1600 in großer Zahl im Westen Irlands
errichtet wurden, sind allerdings meist bescheidener ausgefallen. Aughanure
Castle bei Oughterard ist ein viel typischeres Beispiel. Aber Bunratty
Castle ist groß genug, um dort den Urtyp mittelalterlicher Gastmahle zu
erfinden, wo man den Gästen ein Lätzchen umbindet, damit sie sich nicht
anpatzen, ein Messer in die Hand gibt, damit sie das Fleisch schneiden
können, das man ihnen auf einem Holzbrettchen vorsetzt, ein Glas Met (oder
Bier etc.) vor sie hinstellt, sie mit pseudomittelalterlicher Musik andudelt
- und das für teures Geld. Dort ernst zu bleiben, setzt die
Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten voraus. Autobusweise erscheinen
die Touristen, in 2 Schichten werden sie gefüttert. Sozusagen im Schatten
der Burg hat man ein Folk Village errichet: ursprünglich hat man ein oder
zwei alte Häuser, die dem Ausbau des Flughafens Shannon weichen mußten,
rekonstruiert, heutzutage macht man sich die Mühe nimmer, man baut einfach
frei nach Schnauze nachempfundene Häuser. Auf dem Foto ist das Wirtshaus das
Haus hinten mit den gelben Türen.
In den letzten Jahren ist auf diese Weise ein echtes altes Wirtshaus
dazugekommen, demnächst wird laut behördlicher Kundmachung dahinter ein
weiteres echtes altes Wirtshaus entstehen, Platz ist ja noch vorhanden und
Bedürfnis offenbar auch. Ich denke, sehenswert ist das Ganze trotz allem
Firlefanz dennoch, wenn auch teuer (5,25 Pfund heuer pro Normalmensch). Die
Dame an der Kasse kann nicht glauben, daß ich kein Senior bin, also
widerspreche ich ihr nicht und zahle ohne schlechtes Gewissen weniger. Das
ganze muß ohnehin eine Goldgrube sein. Natürlich wird auch hier ein
Irlandbild vermittelt, das so nicht ganz stimmt. Denn: gezeigt werden Häuser
aus der Jahrhundertwende oder den 20-er Jahren entlang der simulierten
Dorfstraße. An einigen abgelegenen Stellen findet sich dann eher die
Realität des Lebens eines irischen Bauern.

Das nachgebaute Haus eines Kleinhäuslers aus Clare etwa, mit der Aufteilung
von Wohnküche und Kuhstall in einem Raum mit in den Boden eingelassener
Rille für die Jauche, die karge Einrichtung, die offene Feuerstelle, auf der
gekocht wurde und auch geheizt (soweit die Kuh den Raum nicht wärmte), den
beiden gegenüberliegenden Türen, Ausfluß des Gespensterglaubens.
Kein
WC, kein Wasserhahn. Den Brunnen muß man sich dazudenken, gegebenenfalls
wurde das Wasser vom nächsten Bach geholt, ein WC gab es nicht, dafür die
Wiese bzw. den Misthaufen.
Man kann durch den Folk Park gehen und sagen: Ach, wie romantisch, oder
nachdenklich werden, oder die Teestube besuchen und Scones essen, was ich
auch empfehle. Man kann auch zuschauen, wie Apfelkuchen und Scones
zubereitet werden und darf die Angestellte dabei fotografieren, man kann in
der Schmiede zuschauen, wie irgendwas geschmiedet wird, aber kein Pferd
beschlagen, welches Pferd hielte das aus, tagein, tagaus mehrmals die Hufe
beschlagen erhalten, damit die Fremden Aktivitäten miterleben!
Zum Abschluß könnte ich bei Durty Nelly vor der Burg ein Bier trinken oder
auch mehrere, aber leider .....
Ich selber leiste mir am Abend in Limerick Fish and Chips, und weil ich
nicht aufpasse und rechtzeitig nein sage, bekomme ich den rechten Klacks
brauner Essigsoße, ohne den die Iren ihre Pommes Frittes nicht essen wollen.
Der Geschmack ist sagen wir: interessant.
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