irlandreise.gif (7400 Byte)

 

2.6. | 3.6. |   4.6. | 5.6. | 6.6 | 7.6. | 8.6. | 9.6. | 10.6 | 11.6. | 12.6 | 13.6 | 14.6 | 15.6

                      16.6. | 17.6. | 18.6. | 19.6 | 20.6. | 21.6. | 22.6. | 23.6

 

   

 Rosses Point und Carrowmore
8. Juni 1999


Vor dem Frühstück ist es trübe, danach klart es auf. Als ich den Speisesaal betrete, werden soeben 2 Autobusse mit amerikanischen Touristen angefüllt, nur die Nachzügler sitzen noch beim Essen, während die anderen auf sie warten. Autobusreisende sind eigene Menschen, ich würde rasend werden. Danach sitzen wir dann zu dritt im großen Speisesaal, aber nicht beisammen.
Das Kind, das mich bedient, verliert das Interesse am Dienst, holt sich was zu essen und setzt sich im Nebenraum zu den anderen Kindern, die sie als Angestellte verwenden. Schulabgänger mit 14 finden anscheinend alle eine Anstellung, daher die vielen jungen Mädchen und Burschen, die sich beim Servieren in Hotels gegenseitig auf die Füße steigen. Mit ernstem Blick und Bleistift ausgestattet erscheinen sie und nehmen ernsthaft die Bestellungen zu Protokoll, als gäbe es viel Auswahl. Kaffee oder Tee und Toast und Bacon und Eggs und Sausages und Tomatoes und Black Pudding (Blutwurst), den aber nur, wenn Quartier etwas teurer. Alles andere gibt es ohnehin in Selbstbedienung.

Was soll`s. Diesem Kind ist wichtiger sein eigener Kaffee als mir die Tasse nachzufüllen.
Ich bleibe eine Weile in der Stadt Sligo, kaufe mir im Booknest an der Rockwell Parade Bücher und bei Dooney & Son in der O´Connell Street einen Pullover. Dort sehe ich dann ein Schild "Cybercafe" und sende e-mails in die Gegend. 2,5 Pfund würde mich die halbe Stunde kosten, kostet mich aber nichts, weil ich wunschgemäß den englischen Text der Webseite ins Deutsche übersetze. Klingt einfach, bloß hat eine englische Tastatur keine Umlaute und auch das @ ist ganz woanders (praktischer). Ich sage es, der Chef ist zufrieden.

Über Collooney finde ich die Straße nach Salthill (ein gewaltiger Umweg, aber leider, ich habe mich verfahren) und finde schließlich Carrowmore am Fuße des Knocknarea. Hier liegt auf relativ kleinem Raum die größte Ansammlung jungsteinzeitlicher etc. Denkmale in Irland: Ganggräber, Steinkreise, Cairns, Standing Stones, 4-5000 Jahre alt. Im 19. Jahrhundert waren es noch gezählte 200 Stück, heute sind noch etwa 70 erhalten. Den Rest haben die Bauern beseitigt, er war den Traktoren im Weg etc. Vor einigen Jahren hat der Staat etliche Grundstücke gekauft und gegen Eintrittsgebühr kann man in der eingezäunten Anlage eine Reihe solcher Artefakte besichtigen. Die 2 Pfund sind indessen hinausgeworfenes Geld; gegenüber dem Eingang in einem renovierten Cottage mit Parkplatz sind 2 viel schönere Cairns zu sehen, 20 Meter Richtung Sligo ein weiterer, sehr wichtiger auf dem Gelände eines Bauernhofes - gratis.

carrowmore1.jpg (21951 Byte)    carrowmore2.jpg (30096 Byte)

Dazu muß ich - erlaubt, erlaubt - eine Barriere aus zweckentfremdeten Eisenbahnschwellen überwinden. Ein Plakat warnt mich, daß ich mich jetzt auf dem Gelände einer Farm befinde. Vorsicht ist daher geboten, nicht wegen der friedlich herumliegenden Rindviecher, sondern primär wegen ihrer Hinterlassenschaften, zahlreich und überall vorzufinden.

Der Steinkreis auf der Wiese hat in der Mitte eine Steinsetzung: drei oder vier mannshohe Steine sind aufgestellt worden, darüber wurde ein massiver Steinbrocken gewuchtet. Die Fachleute sagen, dies sei einer der schönsten in Irland. Zwar könnte unserein so etwas mit einem Caterpillar leicht auch schaffen. Daher hat das Office of Public Works (OPW) bei jedem echten Überbleibsel einen Betonklops hinzugesetzt, auf dem in Irisch und in Englisch sinngemäß dasselbe steht, nämlich, daß es sich hier um ein nationales Denkmal handle etc. Dieses hier ist archäologisch untersucht worden, ausgerechnet von schwedischen Wissenschaftlern. In den Buchhandlungen auf der Rockwood Parade und in der O´Connell Street gibt es für 2,50 Pfund eine Beschreibung der Fundstellen, ihrer Geschichte und ihrer Bedeutung von Göran Burenhult. Die Broschure ist zwar dünn, ihr Geld aber jedenfalls wert.

Die Ausgrabungen haben gezeigt, daß die Cairns offenbar als Grabstätten gedacht waren, vielfach aber nicht für Einzelpersonen, sondern für ganze Sippen und Gruppen von Menschen. In einer hat man die Asche von mehr als 50 Menschen begraben gefunden. Nicht geklärt ist, welche Gründe die Menschen damals bewegt haben, die Asche ihrer Toten mit soviel Aufwand beizusetzen und warum nur die Asche von so wenigen Menschen? Und vor allem, warum hier, an einer bestimmten Stelle. Man muß sich bloß umsehen. Sicherlich schaut die Landschaft heute anders aus als vor 4000 Jahren, aber geändert hat sich der Bewuchs, nicht das Gelände. Scheinbar zufällig verstreut auf einer Wiese, einem Hang, liegen die Artefakte. Wer waren diese Menschen? Welche Kenntnisse vom Naturgeschehen hatten sie? Es gibt recht wilde Theorien. Keine Kelten, die kamen erst später nach Irland. Sprache, Religion, soziale Schichtung, alles unbekannt. Zwar gibt es fantasievolle Untersuchungen über die geografische Ausrichtung einzelner Cairns, auch im Internet, und Newgrange etwa setzt erstaunliche astronomische Kenntnisse voraus, aber nach allem, was man weiß, handelte es sich um Jäger und Sammler, die später dann schon Getreide anbauten. Der zeitliche Ablauf verkompliziert die Sache noch mehr, denn viele sterbliche Überreste stammen aus viel späterer Zeit. Die Cairns und Steinkreise wurden als Begräbnisstätten benutzt, weil sie da waren, ohne daß die späteren Nutzer wohl die wahre Bedeutung kannten, welche die Erbauer ihnen tausend Jahre vorher beigemessen hatten.

Den Nachmittag verbringe ich am Strand von Rosses Point, nicht badend, nein, in viele Schichten wärmender Kleidung eingehüllt und im Windschutz einer Düne und lese ein Buch von Cormac McCarthy. Den kann ich empfehlen. Wenn ich aufblicke, sehe ich vor mir Coney Island und als ich wieder einmal hinsehe, strampelt gerade ein Radfahrer über den bei Ebbe befahrbaren Sandstrand in Richtung Festland.

Ich fahre nach Sligo, überquere den Garavogue, biege gleich danach gleich rechts zum Bahnhof und Richtung Salthill ab (das ist auch der richtige Weg nach Carrowmore), fahre aus der Stadt hinaus. Auf halbem Weg nach Salthill mit seinem Aerport (muß halt alles auf Irisch sein) biege ich bei einem kleinen Wegweiser zur Insel hin ab und komme an ausgebrannten Autos vorbei zum Strand: weit draußen geht eine Frau mit Kind Richtung Insel. Da traue ich mich auch auf den Strand hinaus mit meinem kostbaren Auto und fahre die 2,5 Kilometer auf dem leicht gerippten, festen Sand. Bei Tempo 60 spüre ich die Sandrippen nicht mehr, bloß in einem - seichten - Wasserpfuhl bespritze ich mein Auto mit sandigem Salzwasser bis aufs Dach. Heia!
Auf der Insel passiere ich das Haus des ehemaligen Verwalters, das, aller hölzener Teile entkleidet, seit 30 Jahren als Ruine dasteht. Bei der "Bar" parke ich das Auto, gehe zum Pier und habe einen schönen Blick auf Rosses Point, den Benbulben dahinter und den Metal Man in der Bucht, um den sich viele Geschichten ranken. Der Wirt erzählt mir, es lebe nur mehr eine Familie ständig auf Coney Island; der Name stamme vom irischen Wort für Hasen und Coney Island in New York heiße so, weil es der Kapitän des Schiffes Arethusa aus Sligo im 19. Jahrhundert so getauft habe. Also. Seine Gattin wundert sich; da fährt einer aus Wien fast 3000 Kilometer und dann besucht er sie auf Coney Island. Leute gibt´s, denkt sie wohl, aber sie sagt es nicht.
Auf der Rückfahrt gebe ich auf dem Sandboden der Bucht wiederum Gas, nur die Wasserpfützen passiere ich langsamer.

 

 2.6. | 3.6. |   4.6. | 5.6. | 6.6 | 7.6. | 8.6. | 9.6. | 10.6 | 11.6. | 12.6 | 13.6 | 14.6 | 15.6

                      16.6. | 17.6. | 18.6. | 19.6 | 20.6. | 21.6. | 22.6. | 23.6

 ©Peter Lausch/Zuletzt bearbeitet: 20.11.2001