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Rosslare, Limerick,
Leenane
5. Juni 1999
Am Morgen wackelt das Schiff immer noch in alle Richtungen, neue Kaugummis
helfen. Um 8,30 Uhr dann Frühstück im Burren Buffet. Mehr als 10 Leute sind
wir nicht im Speisesaal und viel mehr werden wir auch nicht.
Der Regen hört auf, als Irland in Sicht kommt. Die Paßkontrolle findet nicht
statt. 5 Kilometer hinter Rosslare biege ich links ab, fahre über
Nebenstraßen nach Westen. Bei Ballyhack bricht die Sonne durch die Wolken,
das heißt, sie lösen sich auf. Es wird strahlend schön, die Luft ist
vollkommen klar. Die Fähre bringt mich samt Auto über einen breiten Fluß
nach Passage East und von dort nach Waterford. Dadurch habe ich mir die
Fahrerei auf der Natioalstraße über New Ross erspart, die auf Grund starken
Verkehrs recht unangenehm ist. Zeit habe ich nicht erspart. Von Waterford
geht es Richtung Limerick. Ende Mai ist die Ortsumfahrung von Clonmel
eröffnet worden, von der Stadt sehe ich nicht viel außer Wegweisern und 5
Kreisverkehren. Über Cahir und Tipperary geht´s weiter und in Limerick parke
ich mich auf der Ennis Road auf dem Parkplatz von Jury´s Hotel am Ufer des
Shannon ein, obgleich ich Böser kein Hotelgast bin und Plakate mir daher
Verschiedenes androhen. Aber Irland ist Irland und zwischen Drohung und
Realität ein kleiner Unterschied. Über die Sarsfield Bridge gehe ich in den
Stadtkern, wundere mich über die vielen Leute auf den Straßen. Am
Samstagnachmittag in die Stadt zu gehen, ist offenbar Mode in Irland. In
Limerick ist viel gebaut worden in den letzten Jahren, die trostlosen Ruinen
verlassener Lagerhäuser sind weitgehend verschwunden. Bei Eason in der
O´Connell Street kaufe ich Bücher, Kurzgeschichten von Annie Proulx, einer
Lieblingsautorin von mir und von Conor McCarthy gleich alles, was vorrätig
ist. Das 1. Kapitel seiner Cities Of The Plain habe ich in der New York
Times geradezu verschlungen. Recht werde ich haben, denn ich werde in Irland
alle seine Bücher lesen und jedes einzelne wird mir gefallen.
Danach suche ich mir ein Zimmer im
Woodfield
House Hotel, wo ich immer übernachtet habe. Das wird allerdings umgebaut
und ist Baustelle. Ich probiere es erst gar nicht. Im
Limerick
Ryan Hotel (das es 2009 längst nicht mehr geben wird) nebenan wollen sie mich nicht. Entlang der Ennis Road fahre
ich zum Two
Mile Inn hinaus, einem Riesenhotel, bunt bemalt.
Dort
wollen sie mich aber auch nicht, nicht nur mich nicht, sondern zwei Damen
vor mir auch nicht. Also liegt es nicht an meiner vornehmen Erscheinung.
Dennoch verdrießen mich die drei Körbe, die ich erhalten habe, derart, daß
ich gar nicht weitersuche, sondern über Galway und Maam Cross gleich nach
Leenane weiterfahre. Gegen 19 Uhr bin ich dort und stelle mein Auto auf den
großen Parkplatz am Meeresufer. Man soll sich keine allzu bescheidene
Unterkunft auswählen, sonst endet man in einer wie dieser hier:
Schließlich versuche ich mein
Glück in der Portfinn Lodge und dort wollen sie mich. Bett somit gesichert.
Das getan, wandere ich zum Meeresufer hinunter. Denn heute findet das
alljährliche Curragh-Rennen statt, heute ist anscheinend sogar der Höhepunkt
der Veranstaltung. Ich schaue bei den letzten Bootsrennen zu. Ich habe alles
angezogen, was ich von daheim an Pullovern und Jacken mitgenommen habe, aber
warm ist mir dennoch nicht. Ich kann mich nicht genug wundern über den Eifer
der Iren, sinnlos im sicherlich eisigen Wasser herumzuplatschen und mit den
leichten Booten Regatta zu fahren. Aber andere Länder, andere Leute.
Weil es aber noch taghell
ist, mache ich noch einen Spaziergang. Ich wandere zu den Wirtshäusern,
folge der landeinwärts führenden Straße, die leicht ansteigt Richtung Maam,
nachdem ich mit der bei Hamiltons gekauften Telefonkarte noch in Wien
angerufen habe.
Ich komme an der von mir so
genannten Schuhschachtel unterhalb der Straße vorbei, jenem aus Holz und
Pappe und ein wenig Sperrholz errichtete Häuschen auf vier Betonziegeln,
welche die Ecken stützen. Wie im Jahre 1998 steigt auch diesmal grauer Rauch
aus dem blechernen Schornstein. Ich erinnere mich an die Katze, die damals
auf der Treppe gesessen und auf Einlaß gewartet hat. Heuer sehe ich eine
neue, kleine Katze, die auf den Stufen sitzt und auf das Nachtmahl wartet.
Die alte Frau lebt also noch immer.
Auf dem Rückweg halte ich
bei den beiden Wirtshäusern an. Beide sind gesteckt voll mit Leuten, kein
zusätzlicher Gast hätte sich mehr hineindrängen können. Irische Musik
erklingt. Die Gäste unterhalten sich offenkundig glänzend, kaum einer wirkt
betrunken.
Mich fröstelt im eisigen
Wind; wie man auf Bänken im Freien sitzen kann, ohne zu erfrieren, ist mir
unverständlich. Weil es allmählich, gegen 22.30 Uhr, doch dunkel wird,
spaziere ich zur Portfinn Lodge und schlafe friedlich und ohne Träume durch.
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